Auf dieser Seite stelle ich mich und mein Ostsee-Segel-Projekt vor.
Kurz und knapp: ich habe vor dieses Jahr mit meinem Segelboot einmal um die Ostsee zu fahren. (Für alle "Nichtblogger", es wird von unten nach oben gelesen! Und ihr könnte auch gerne Kommentare schreiben!)

Sonntag, 29. August 2010

Der logische Weg - Mersrags, Roja, Möntu, Ventspils, Liepaja.


Das erste was ich bemerkte, nachdem wir den Hafen von Ventspils verlassen hatten, war eine Welle, die uns volle Breitseite erwischte. Wie groß sie war, wusste ich nicht, aber sie hatte es in sich, denn die Seekarte und das Navigationsbesteck in meiner Hand fanden sich mit mir zusammen auf dem Herd wieder – ich war gerade unten, um den Kurs für den Tag abzustecken. Angesagt waren 4-5 Bft, wir waren uns aber später sehr einig, dass es doch eher etwas um die 6 Bft gewesen sein müssen und die Welle ließ sich auch nicht lumpen und schob mit 1-2m unser Heck vorwärts. Wir hatten gute 60 Seemeilen vor uns. Eigentlich gibt es noch einen Hafen dazwischen, aber den wollte ich bei so netten Bedingungen auslassen, weil ich hier jetzt wieder drei Tage verweilen werde, um auf die nächste Crew zu warten – hat ja auch geklappt, wir sind angekommen.

Den ganzen Tag ging das Wetter wie eine Sinuskurve zwischen 4 und 6 Bft und 1 und 2 Meter Welle hin und her. Das schlimmste waren die Böen und wenn sich Wellen- und Windrichtung nicht einig waren und wir fast quer zur Welle fahren mussten, das ist nicht so angenehmen und macht mitunter einen ganz schönen Druck auf’s Ruder. Als es mal gerade wieder weniger geworden war, konnten wir die Fock ausbaumen und das Groß im zweiten Reff mit 'nem Bullenstander festbinden – das ist ein Leben, einfach herrlich und das Boot schob sich mit 6 Knoten vorwärts und das sogar in die richtige Richtung!

Die Tage zuvor hatten wir meistens das Problem, dass der Wind von vorne oder zumindest so kam, dass es ein ganz harter Anlieger war und wir eigentlich die ganze Zeit nur auf der Seite lagen, mit der kleinsten möglichen Segelfläche. Trotzdem kamen wir nicht wirklich voran und freuten uns sogar über 4 Knoten, während ich mich in Luv an der Reling festhielt, damit ich nicht zu den anderen in Lee auf den Schoß rutsche – das war die Tour von Mersrags nach Roja. Die Strecke war an sich ziemlich kurz, gerade mal 12 Meilen. Und weil sie so kurz sein sollte, beschlossen wir trotz des angesagten „etwas mehr Wind“ los zu fahren bevor der ganz große Sturm kommen sollte. Der Hafen, in dem wir gerade lagen, nämlich Mersrags, bot uns zwar die schönsten Duschen Lettlands, aber keinen wirklichen Schutz gegen Wellen und die eine Nacht war schlaflos genug gewesen. Deshalb entschieden wir morgens, den kleinen Verholer zu wagen – dummerweise ungeduscht. Nach sieben Stunden (für 12 Meilen) hatten wir es dann endlich nach Roja geschafft.

Später wurde uns erzählt, dass bis zu 9 Bft gemessen wurden und das mit Wind von vorne, kein Wunder, dass wir so lange gebraucht hatten! Ich ärgerte mich unglaublich, dass wir nun in diesem Hafen festsaßen, der auch kein wirklicher Hafen war. Hier war die Bibliothek mit dem Internet noch weiter weg und was viel schlimmer war: die „Duschen“ waren in einem Container und die wahrscheinlich ekligsten von ganz Lettland, aber es gab immerhin einen Supermarkt direkt nebenan und wir lagen ruhig - festgemacht an einen lettischen Amerikaner, der uns abends noch zu einem Gläschen zu sich einlud. In Roja regnete es die meiste Zeit und sobald der Sturm vorbei war, fuhren wir weiter nach Möntu, ein kleiner Abstecher nach Estland. Natürlich kam der Wind von vorne, der aber von Anfangs 6 auf später 0 abschwächte.

Ich denke, ich verstehe inzwischen, warum mich Anfangs so viel fragend angeguckt haben, wenn ich vollkommen selbstbewusst und vollkommen naiv meinte, dass ich im Uhrzeigersinn um die Ostsee wolle – der Wind kommt einfach immer von der falschen Seite. Deshalb freuten wir uns auch so enorm, als der Wind ab Möntu von hinten kam, egal wie stark oder wenig stark, denn noch in Möntu hatten wir Totenflaute und eine schreckliche Restdünung, von allen Seiten und vorallem absolut keinen Diesel mehr im Tank. Ein paar Stunden ging es, aber mit dem ersten Windhauch wurden sofort die Segel gesetzt und gegen Abend erreichten wir Ventspils mit einem missglückten Anlegemanöver unter Segeln. Dort warteten schon Renate und Michael und ihre Crew auf uns, die wir in Riga kennen gelernt hatten.

Direkt nach dem Anlegen fuhr uns der Hafenmeister mit unseren leeren Dieselkanistern zur nächsten Tankstelle, die ganz schön weit entfernt war – ganz schön nett! Anschließend trug er sie uns wieder zum Boot zurück – ebenfalls sehr nett; irgendetwas Gutes muss das Mädchendasein ja haben.

Später stellten Michael und ich dann fest, dass wir sehr verschiedene Segelstile und –ansichten haben. Ich wusste gar nicht, dass es da so Unterschiede gibt. Ich bin der „Morgens-Segel-setzten-und-Abends-gucken-ob-sie-noch-stehen“-Typ und er halt eher der „die-ganze-Zeit-auf-dem-Deck-rumturnen-und-rumtrimmen“-Typ.

Von der Fahrt von Ventspils nach Liepaja schließlich hatte ich ja bereits am Anfang erzählt. Sie endete damit, dass wir mit einem riesen Regenschauer, untergehender Sonne, noch mehr auffrischendem Wind und noch mehr Welle, einem Containerschiff ausweichend, minimalster Segelfläche und trotzdem 6 ½ kn irgendwie in den ganz schlecht beleuchteten Hafen einfuhren – aber immerhin 1,5 Stunden früher als geplant.

Damit die Zeit auf den immer ganz schön langwierigen Fahrten nicht langweilig wird, haben Leonie, Monia und ich uns öfter vorgelesen und da ich gerade Moitessier lese, war ich der Meinung, dass es doch sehr lehrreich wäre, wenn ich ein wenig daraus rezitieren würde. Das kam bei den anderen beiden nicht so gut an. All die vollgeschriebenen Seiten beinhalteten kaum mehr als ein in Sätze gefasstes Logbuch: Subjekt+Prädikat+Objekt+Datum+Etmal - etwas eintönig. Wenn ich dann später auch nur ansetzte um kurz ein Zitat zu bringen fingen beide sofort an laut „lalala“ zu singen. Das Buch heißt übrigens „der logische Weg“.

Mittwoch, 25. August 2010

Die See ist schwarz und Oskar tot

Oskar war mein Radarreflektor. Mit einer unglaublichen Ausdauer schlug er Tag für Tag und Nacht für Nacht gegen meinen Mast und brachte mich so am Anfang um jeden Schlaf, bis ich mich an das monotone Klappern von Metall auf Alu gewöhnt hatte und jetzt ist er für immer verstummt. Es war klar, dass einer mal nachgeben würde: Mast oder Oskar, zum Glück war es der Oskar. Schon vor einem Monat zeigte er die ersten Anzeichen von Altersschwäche, als er sein erstes Zusammenhaltungsplastikteil verlor, kurz darauf das zweite, doch vor drei Tagen ging es dann mit ihm vollkommen zu Ende. Bei einer kräftigen Böe verlor er erst eine ganze Seite, doch tapfer hielt er noch aus bis zum Hafen in Riga. Dort lag er dann auf dem Deck, hart gezeichnet vom Kampf mit dem Mast.

Gut, eigentlich sollte so etwas gar nicht erst passieren. Weder, dass der Radarreflektor runter kommt, noch dass er erst gegen den Mast schlägt. Ich hatte ihn falsch montiert, als ich den Mast gestellt hatte und dann hatte ich es in auch wirklich jedem Hafen vergessen zu ändern und irgendwann hatte ich mich daran gewöhnt, aber das Schlagen wurde über die Wochen hin auch immer sanfter, wodurch es noch einfacher zu überhören war – die schlagende Seite des Reflektors hatte sich nämlich mit der Zeit an die Runde Form des Mastes angepasst.

Es regnet hier wirklich jeden Tag, manchmal länger manchmal kürzer, manchmal stärker, manchmal feiner. Der feine Regen wurde von unseren deutschen Fast-Nachbarn in Riga „Nano-Regen“ getauft, weil er so fein war, dass er auch wirklich jedes Ritzchen gefunden hat, außerdem wird es nachts wieder ganz schön kalt – brrr.

Uns wurde erklärt, dass man den Herbst an der Farbe des Wassers erkennen kann. Und es stimmt: Es ist schwarz. Ich hab schon lange nicht mehr auf die Farbe des Wassers geachtet, aber es ist wirklich gruselig, das Wasser ist einfach schwarz.

Mit dem Ende des Sommers kommt auch langsam das Ende meiner Reise. Nagut, ich sollte aufhören sentimental zu werden, ich habe immerhin noch einen Monat. Aber eine gewisse Rückfahrtstimmung ist schon vorhanden und in der letzten Woche musste ich mich dann auch wirklich entscheiden, was denn danach kommt. Oh, das war so schwer! Tausend Ideen - realistische und vollkommen realitätsferne -, aber festlegen ist vor allem nach/ auf so einer Reise unglaublich schwer. Es ist schon immer hart genug zu entscheiden, was es wohl heute zum Essen gibt. Oder noch schlimmer, was das nächste Ziel ist, aber Zukunft? Aber jetzt ist es fest: Ich werde Prinzessin!

Aber davor studiere ich noch Kultur und Technik in Berlin. Ich werde unglaublich schlau und klug werden - das ist ja auch die wichtigste Voraussetzung zum "Prinzessin-werden".

Riga ist wunderschön. Die alten Jugendstilhäuser haben die Sowjetzeit erstaunlich gut überstanden und genau in den Tagen, in denen wir da waren, fand gerade das Fest des Jahres statt, weil Riga in diesem Jahr irgendeinen runden Geburtstag hat, glaube ich. Auf jeden Fall war die Stadt voller Menschen und Feststimmung, sowohl Tags als auch Nachts, und von überallher kam Musik. Ganz verschiedene und komplett durcheinander.

Samstag, 21. August 2010

Uldis und die Allzweck-Pampers

Neue Mannschaft, neues Land, neue Leute, neue Stimmung. Auch wenn der Reiseführer, den ich immer gescheit bei mir trage, das gesamte Baltikum in irgendwie eine Schublade stopft ist es keine gerechte Behandlung. Wie lange hat mir meine Mathelehrerin versucht zu erklären, dass man Äpfel nicht mit Birnen vergleichen kann und jetzt wo ich es dachte verstanden zu haben, kommt der Marco-Polo-Reiseführer daher und will mir das Gegenteil klar machen. Bis zum Schluss bin ich mit der Mentalität der Esten nicht klar gekommen.

In Lettland hat mir dann die Hafenmeisterin den wahrscheinlich entscheidenden Grund angegeben: die Esten sind extrem langsam und haben keinen Bock auf Englisch - nagut, das erklärt dann wenigstens, warum sie so verhandlungs-und kontaktunfreundlich waren.

Das Lettland aber so ganz und gar und komplett anders ist, wollte uns wohl gleich der erste Lette beweisen. Wir waren im Hafen kurz hinter der estnisch-lettischen Grenze und außer uns gab es nur noch ein anderes Boot, einen Einhandsegler namens Uldis, was frei übersetzt soviel heißen muss wie: der elanvolle-ohne-Punkt-und-Komma-Redner. Ein total netter Typ, der uns, bevor eine von uns einen Fuß an Land gesetzt hatte, schon auf eine "Weinparty" einlud - na huch, das kann was werden. Wir hatten den sehr dummen Anfängerfehler begangen und vergessen, vorher Abend zu essen. Als guter Gastgeber kredenzte uns Uldis natürlich auch ein klein wenig Beilage, aber ein paar Scheiben Brot kommen nicht gegen Rotwein an, deshalb musste er das meiste selbst trinken, weshalb seine Geschichten wahrscheinlich auch immer lustiger wurden. Irgendwann kamen wir zu dem Thema, was man als Segler immer dabei haben sollte, egal ob Einhand oder mit Crew: Senioren-Pampers; die sind nämlich so unglaublich praktisch: klar - als Einhandsegler muss man nicht aufs Klo rennen, vor allem, wenn schlechtes Wetter ist, aber die weitaus spannenderen Einsatzfelder sind die Bilge, wenn sich da mal wieder das Wasser sammelt oder links und rechts neben den Kopf eines Seekranken, der in der Koje liegt, da sie seiner Erfahrung nach auch wirklich (und da legte er besonderen Wert drauf), wirklich keinen Geruch abgeben. Nur das Beschaffen soll wohl etwas problematisch sein, weil es da immer so seltsame Blicke gibt, wenn man als 60+ ein Paket kauft - gut, dass wir das JETZT schon wissen, dann können wir mit 49 anfangen zu bunkern mit dem Argument, es sei für die Generation über uns.

Am nächsten Tag regnete es und zwar den kompletten, ganzen Tag. Wie kann es nur soviel und so doll am Stück regnen?! Das doofste daran war eigentlich, dass mal wieder die ganzen undichten Stellen zum Vorschein kamen, insbesondere bei so einer Dauerbeschallung durch kärcherartigen 24 Stunden non-stop-Regen, aber wenn es nass ist kann man natürlich auch keine Pampe reinschmieren, also lief es - wie blöd, dass wir erst jetzt von der Allzweck-Pampers erfahren hatten.
Meine Unterwäsche, die ich auf dem Weg nach Salacgriva (dem ersten lettischen Hafen) gewaschen hatte, wurde dann auch erst auf dem Weg nach Riga trocken, drei Tage später. Aber wir haben uns schon fast daran gewöhnt, dass es jeden Tag regnet und manchmal, damit es nicht langweilig wird, gibt es noch ein bisschen Gewitter-Party dazu - ich glaub der Herbst kommt.

Dienstag, 17. August 2010

ein FlairTailwhip mit Sahne bitte!

Was sich anhört wie eine neue Eiskreation von Schöller oder Langnese ist eigentlich etwas deftiger: Eine Art Salto mit dem Fahrrad, wo sich alles in alle Richtungen dreht. 
Was das jetzt mit Segeln zu tun hat? - Nichts, aber mit Pärnu, und da sind wir gerade.

Pärnu ist offizielle "Sommerhauptstadt" und deshalb steppt hier der Bär und das erste, was wir von Pärnu gesehen haben, war ein recht großer BMX-Skate-Inline-Contest. Total faszinierend.
Auch sonst war die ganze Stadt voll mit Jugendlichen und Abends war auch ganz gute Stimmung und den ganzen Strand runter die Nacht durch Party. Wirklich ausschweifend kann ich jetzt nicht von den Tagen und so erzählen, weil wir dringend los müssen, da es Nachmittags zur Zeit immer gewittert und bis dahin haben wir noch 40-50 Meilen vor uns. Es war aber lustig und die Esten sind, sobald sie etwas mehr getrunken haben, auch endlich locker und nicht mehr so steif und da sie schon vormittags angefangen hatten, waren es ganz angenehme Zeitgenossen.

Vorgestern ist Leonie gekommen und gestern Monia (die ich in Finnland/Aland kennengelernt hatte), so dass wir gestern zu viert waren - ganz schön klein dieses Boot!! Aber heute morgen ist Helena schon wieder gefahren, so dass wir jetzt zu dritt weiter Richtung Riga fahren.
Verdammt, tanken müssen wir auch noch.

Sonntag, 15. August 2010

Die Goldgräber im Goldgräberglück

Bombenstimmung in Estland

Tallinn hatte ich satt. Vielleicht auch nur den „Olümpiahafen“, wie es hier heißt. Die Stadt ist wunderschön, aber es ist schlimmer als am verkaufsoffenen Sonntag über den Ku’Damm zu laufen und dort sind nicht halb so viele Deutsche, wie hier.
Als Helena kam, um als neue Crew mal wieder ein wenig Schwung in die Bude zu bringen, nicht dass es nötig wäre, aber so drei Tage alleine finde ich irgendwie schon ein wenig trostlos. An sich wollten wir auch noch eine Nacht bleiben, aber das wäre dann noch eine Nacht und ich hatte einfach das Gefühl, wieder los zu müssen. So lange an einem Ort, dat is ma nischts! Und so sind wir dann noch gleich am Abend losgefahren, etwas spät, aber es hatte eh ein wenig mehr Wind und ich hatte die Hoffnung, dass es zum Abend hin weniger werden würde – wurde es aber nicht. Den Dieselkanister am Bug abknotend und nachtankend bei ordentlich Wind von vorne und ordentlich Welle, erlebte Helena ihre ersten seglerischen Höhepunkte und weil es auch gar nicht weniger werden wollte (an Wind und Welle) entschieden wir uns ganz spontan doch für einen anderen Hafen: Naissare – eine Stunde näher. Wir fahren zur Zeit mit einem Übersegler und da ist es gar nicht einfach so wirklich die Koordinaten des Hafeneingangs zu finden, aber Steine sind da natürlich trotzdem eingezeichnet, also weiß man grob wo man lieber nicht hin fahren sollte - an die Küste (?!). Nach einigem Vortasten und sinnlosem hin- und herkreuzen kamen wir natürlich an. Bis jetzt bin ich immer angekommen, ohne Zweifel. Nur wie, das ist die weitaus interessantere Frage.
Auf Naissar, das ist eine Insel vor Tallinn, die einzige, haben wir uns erstmal auf den Weg zum Hafenbüro gemacht, angespornt von meinem natürlichen Drang nach einigen Tagen, doch mal wieder an eine Dusche zu kommen. Aber es gab kein Hafenbüro, dafür eine Jugendherberge. Auf dem Weg dahin liefen wir an seltsamen verrosteten Rieseneiern vorbei – es waren alte Mienen. Naissar war wohl zu Sowjetzeiten für seine exzellente Mienenzucht berühmt. Heil oben bei der Jugendherberge angekommen trafen wir auf Menschen. Nur englisch konnten sie nicht wirklich, aber ich glaube, wenn man mich gesehen hat, war eigentlich klar, was das Wort „shower“ wohl bedeuten sollte.
Wir: Do you have a shower?
Sie: Sauna!
Wir: Not sauna – shower!
Sie: No, Sauna!
Wir: No, not sauna, JUST shower!
Sie: Sauna 300 EEK (estische Kronen = 20 €)
Wir: Man nee wir wolln nicht in die Sauna, sondern nur ne Dusche, also einfach Wasser, nicht Sauna, nur Wasser
Sie: Yes, Sauna. No shower! Is no shower. Sauna!
Wir (kurz vor Aggressionen, wie sie nur ein Berliner Underground-Ghetto-Rapper nachvollziehen kann): We’d like to take a shower, not go in the sauna.
Sie: Yes, yes. Not have shower, just sauna.

Ist das nicht eklig? Wir fragten uns, wie sie wohl den Schweiß von sich bekommen wollten, denn der Strand ist auch ein paar Minuten entfernt und auch einfaches, kaltes Wasser waren sie überzeugt, nicht zu haben. Aber das bleibt wohl ein Geheimnis, tief verborgen in einer der längst verrosteten Mienen der Insel.



Alles Dieter oder was?

Kurz nach uns kamen auf Naissar noch drei Finnen, die sich so darüber freuten, dass ich ihre Landleine angenommen hatte, dass sie uns nicht nur auf ein Bier, sondern gleich noch auf noch mehr Bier und Wein und Kartoffeln und Soße und Lagerfeuer und Ikea- Servietten einluden. Dadurch war der Ärger über die Duschen auch ganz schnell wieder in netter Stimmung ertrunken.
Von Naissar hatten wir eigentlich nur vor kurz 20 Meilen um die Ecke zu fahren nach Paldiski, wo wir zwar erst um kurz vor 23 Uhr ankamen, aber das ist ja eigentlich nicht weiter schlimm. Dort Empfing uns schon ein mit den Armen wedelnder Mann und wir dachten nur: Mensch wie nett, dass der da extra wartet um unsere Leine anzunehmen. Das war dann anscheinend eher weniger seine Absicht, denn er schrie zu uns rüber, dass wir nicht festmachen können und nach Lohusalu (wieder zurück, kurz vor Helsinki) fahren sollten. Warum, und ob es nicht doch eine andere Möglichkeit geben würde, hatte er aber keine Lust mehr uns zu erklären. Aber wieder drei Stunden zurück fahren wollten wir ganz bestimmt nicht, dann lieber noch einen Hafen weiter: Dirhami, fünf Stunden weiter.
Und es war so schrecklich dunkel, so unglaublich schrecklich dunkel und auf unserer Karte gab es nicht halb so viele Lichter, wie in Echt. Außerdem verfolgt mich seit dem Gewitter in Russland eine total schizophrene Vorstellung, jetzt immer und überall Gewitter zu sehen, vor allem in der Nacht und natürlich sah ich plötzlich irgendwelche Wetterleuchten, die so direkt nicht da waren. Mit manchen Wellen wackelte der Radarreflektor, der zwischen mir und dem Toplicht war, für einen kurzen Moment zur Seite, wodurch es kurz heller wurde, aber darauf muss man ja auch erstmal kommen und bis dahin hatte ich schon ein halbes Dutzend gefühlter Herzinfarkte. Im Nachhinein hoffe ich, dass es wie eine Art Schocktherapie gewirkt hat.
Kurz nach drei kamen wir aber doch endlich da an, wo zumindest bis 2001 noch eine Ansteuerungstonne gestanden hatte. Dafür sah ich aber eine andere Tonne, die ich nach der Lichtkennung eindeutig für das hielt, worauf ich zu fahren sollte. Also fuhren wir drauf zu. Mir war zwar total unklar, warum der Winkel, mit dem ich den Hafen ansteuerte, so gar nicht stimmte, warum es die Richtfeuer nicht mehr gab und vor allem warum sie den Hafen ganz eindeutig in den letzten neun Jahren weiter südlich versetzt hatten, aber vielleicht war ich auch einfach müde. Ein paar Minuten später merkte ich dann, dass die Leuchttonne doch keine Leuchttonne war, sondern ein Leuchtturm und es daher nicht sonderlich schlau wäre, da weiter drauf zu zu fahren und dass zwei Meter neben uns eine kleine süße schwarze Spitze aus dem Wasser ragte – nett.
Um kurz vor vier waren wir dann doch endlich sicher im Hafen und den nächsten, bzw. gleichen Tag wollten wir dann auch ganz entspannt anfangen und erstmal an dem monsterlangen weißen Sandstrand baden gehen. Wurde nicht viel draus – es gab Quallen. Aber was es genauso viel gab, waren angespülte Steinchen und ich war der Überzeugung, dass davon bestimmt jeder dritte ein Bernstein war. Ich hab keine Ahnung wie die im Rohzustand aussehen, aber ganz bestimmt so, wie die volle Hand die ich gesammelt habe und die seit dem bei jeder Welle neben dem Herd hin- und herrutschen. Am gleichen Abend wollten wir dann eigentlich noch weiter in einen nahen größeren Hafen mit richtiger City. Wir winkten naiv unseren neuen finnischen Nachbarn, fuhren raus, sahen eine komische Wolke, die komische Wolke kam näher, wir drehten wieder um, vorbei an unseren neuen finnischen Nachbarn, die belustigt winkten und parkten wieder an der Stelle, die wir vor zehn Minuten euphorisch verlassen hatten.
Unsere neuen finnischen Nachbarn luden uns auf ein Glas Wein ein und dann noch eins und noch eins und so weiter und weil wir uns gerade übers frühstücken unterhielten, hieß er uns auch gleich noch zum frühstücken willkommen mit den Worten:“How do you like your eggs?“
Sie waren genau richtig, wir zwar um neun Uhr morgens noch etwas müde, aber das verging bei so einem fürstlichen Frühstück schnell.
Danach ging es mit neuer euphorischer Stimmung in einen unnennenswerten Hafen und jetzt, zwei Tage später sind wir hier, in Pärnu.

Sonntag, 8. August 2010

Guten Tag Fräulein lilleMy

"Der Kosmos schießt heute leider ein bisschen quer: Venus, Merkur und der dritte Saturnring stehen heute in einer ungünstigen Konstellation, verlassen Sie deshalb lieber nicht Ihr Haus, am besten nicht mal Ihr Bett. Heute sollten Sie Auseinandersetzungen aus dem Weg gehen und sich etwas zurückziehen.
Noch immer geben Sie sich offen und kontaktfreudig, nur Ihre Mitmenschen haben heute kein gutes Wort für Sie. Dafür würde es im Job ausgezeichnet laufen, wenn heute nicht Sonntag wäre und Sie überhaupt einen hätten. Aus diesem Grund überprüfen Sie in nächster Zeit alle Fakten ihrer finanziellen Angelegenheiten. Vermeiden Sie unnötige Ausgaben.
Haben Sie schon Sehnsucht nach Ihrem Partner? Dann müssen Sie wohl heute damit fertig werden - alleine im Bett, denn wenn Sie einen Fuß vor die Tür setzen, werden sie von einem Tannenbaum erschlagen.
Im Übrigen sollten Sie etwas für Ihre Stimmung tun. Die könnte nämlich besser sein."
- Danke, hätte ich das mal gelesen, bevor ich aufgestanden bin.

Ich bin in Tallinn, einer wunderbaren Stadt. Ich glaube, es ist eine der Schönsten, in der ich je war. Das gleiche scheint eine Welle von deutschen Touristen auch gedacht zu haben, als sie herkamen. Von überall hört man deutsche Stimmen und das auch nicht zu leise. Ich kann es, glaube ich, langsam verstehen, dass die Deutschen im Ausland nicht zu den beliebtesten Touristen gehören, bzw. nicht den besten Ruf haben, aber ich bin halt auch einer von ihnen.

Aber der Grund für meine schlechte Laune am Morgen hat sicherlich nichts mit den deutschen Touristen und ihrem Mitteilungsverhalten zu tun.
Ich wollte eigentlich nur Duschen gehen. Als ich aber gerade ins Bad gehen wollte, kam plötzlich eine Frau und fragte, was ich denn da mache. "Duschen!" - Nee, das ginge gar nicht, außer ich bezahle 4€. Dann ging es noch ein wenig hin und her, aber ich war bestimmt nicht bereit für eine einzige Dusche 4€ zu bezahlen, deshalb bin ich ins Hafenmeisterbüro gegangen, wo sie meinten, dass der Hafen selber keine Duschen habe und das zu dem Hotel gehören würde, deshalb müsse man bezahlen. Das fand ich dann nicht so toll, immerhin bezahle ich hier pro Nacht 20€ und was machen die ganzen Regattasegler von der Melges-WM? Die haben einen Duschcontainer, aber da durfte ich nicht rein, weil ich ja nicht zur Regatta gehörte, da lies der Wachmann auch gar nicht mit sich verhandeln. Ich war aber immer weniger bereit mich geschlagen zu geben und der unfreundlichen Dame das Geld zu geben. Dann halt doch ins Meer, ist ja auch nicht schlecht. Nachdem ich den zweiten Fuß im Wasser hatte, sah ich einen Fisch - mit dem Bauch nach oben. Mit einem Würgereiz im Hals verließ ich das Wasser dann auch ganz schnell wieder. Oh, es war ja so heiß, vielleicht sollte ich einfach in meinem Schweiß duschen, davon hatte ich wenigstens genug.

Irgendwann kam dann doch noch die rettende Lösung: An eigentlich jedem Steg gibt es einen Wasseranschluss - hier auch, nur ist kein Schlauch dran.
Inzwischen bin ich frisch gewaschen und fühle mich auch wieder wie ein Mensch. Ich hab einen Schlauch organisiert und weil die Leitung so lang und schwarz war, hatte ich sogar eine richtig heiße Dusche.

Gestern war ich noch im Museum, eins für diese ganzen alten Schinken und Biedermeier, was eigentlich gar nicht mein Fall ist, aber ich hab zu spät gemerkt, dass ich ins Falsche gegangen bin. Danach hab ich aber noch das richtige gefunden: "KUMU" für modernere und contemporary art - einfach herrlich. Ich wusste gar nicht, dass das Baltikum so viele coole Künstler hervorgebracht hat und der Park der davor ist, der ist soo wunder wunder schön! Das Gras ist im Gegensatz zum deutschen noch so kräftig saftig grün, ohne, dass ich irgendwo einen Rasensprenger gesehen hab.

Vielleicht sollte ich doch lieber auf die Leute vertrauen, die Ahnung vom Horoskopschreiben haben:"Liebe steht hoch im Kurs. So könnte ein Jupiter-Venus-Mars-Transit leidenschaftliche Gefühle plus großer Faszination bringen und dabei die maximale Erfüllung all Ihrer Bedürfnisse - wenn Sie sich nur ein bisschen zurücklehnen. - hört sich doch schon viel besser an, danke "Brigitte".

Mittwoch, 4. August 2010

Local News für "Ja"-Sager

Immer am 31. gibt es in St. Petersburg eine Art Demo, wo sich an zwei zentralen Plätzen die Leute treffen um für ihre Rechte und gegen Korruption und so weiter einzustehen. Dabei kommt es aber jedes Mal zu Übergriffen von der Polizei, einer der Punkte, weshalb sie da stehen und demonstrieren, aber an sich so im Style der lang verjährten Montagsdemos in Deutschland.
Woher ich das weiß? - Wir waren drin, mitten drin, aus Versehen. Wenn irgendwo viele Leute stehen und Polizei außen drum herum, muss man halt einfach gucken. Dass genau dann die Action losgeht, wenn man gerade seinen Kopf reckt um über ein paar Leute rüber gucken zu können, damit rechnet man ja nicht. Und es ging richtig los. Plötzlich fing die Polizei an, mit ihren Knüppeln einfach auf irgendwelche Leute einzuschlagen. Wir sind natürlich sofort weggegangen, aber die gleiche Richtung hatten sich die Geschlagenen leider auch als Fluchtweg überlegt - ein wenig Schiss bekommt man da ja schon. Wir haben uns dann hinter eine Säule von einem der Gebäude gerettet.
Hinter der gleichen Säule standen auch Serg und Gleb. Die beiden hatten wir gerade eine Minute vorher kennen gelernt und sie hatten uns erklärt, was diese ganze Aktion soll, bis es halt los ging. Die beiden sind Russen, aber als ob das nicht reicht, eigentlich kommen sie aus Sibirien - wusste gar nicht, dass da überhaupt IRGENDJEMAND wohnt! Sie fragten uns, ob wir noch mit kommen wollten, zu einem anderen Ort, wo noch mehr los sein sollte. Und weil ich in den letzten Monaten gelernt habe "ja" zu sagen, schliffen die beiden uns hinter sich her, ohne dass wir irgendeine Ahnung hatten, wo es gerade überhaupt hinging. Auf dem Weg gabelten wir noch Sergs Mutter auf, die vor dem "Kinderparadies" auf ihren Jungen gewartet hatte.
Nach einer Weile kamen wir auf den Platz vor die Eremitage, wo noch mehr Leute waren, aber so spannend war es dann doch nicht und deshalb setzten die drei dann unsere kleine private Stadtführung fort, die aber weniger geschichtliche Daten enthielt, als politische Hintergründe und die Probleme der Gesellschaft und solche wichtigen Sachen eben, also den Krempel, den man im Reiseführer etwas anders erklärt bekommt.
Etwas später kamen Gleb und Serg dann auf die Idee uns die Stadt mal von oben zu zeigen, auch etwas, was man außer als Neureicher im Privatheli eher selten zu sehen bekommt - Petersburg von oben. In der Nähe sollte es ein baufälliges Gebäude mit offenem Dach geben. Dass es an sich gar nicht mehr offen ist und auch frisch renoviert war, störte die Jungs gar nicht und so öffnete Serg es mit Glebs Kommentar: "Russen können alles und sie kommen auch überall rein" - nagut, so wäre auch das legitimiert. Das Dach war über dem fünften Stock und wir hatten die perfekte Sicht auf die Newa, das Stadion, eine Kirche und all die wunderschönen alten Häuser von St. Petersburg. Und ich glaube, meine Mutter hat ihre Höhenangstgrenzen um ein ganzes Stück erweitert.
Abends haben mir die beiden Sibirianer noch gezeigt, was man Abends in Petersburg macht, wie man in Russland Bier kauft und vor allem mit welchen Worte man keine Auseinandersetzung mit einem Russen mehr verliert. Auch, wenn ich bis her noch keine hatte, aber man kann ja nie wissen.

Die Rückfahrt aus Russland zurück ins "gesittete Europa" verlief erstaunlich undramatisch. Es war null Wind, deshalb musste der Motor mal wieder ackern und weil das Geräusch so monoton und ermüdend ist, lief ziemlich laut noch Musik (sie musste ja auch den Motor übertönen). Da mein Funkgerät aber drinnen eingebaut ist, hab ich dann nicht bemerkt, dass die Russen eine ganze Stunde versucht hatten, mich zu erreichen. Ich habe das dann persönlich erklärt bekommen, als  Zwei von der "Russian Coast Guard" mit einem schwarzen Gummiboot um halb 6 morgens auf mich zugebrettert kamen mit den Worten "Stop the engine" - oops. Aber sie sind - wie gesagt - viel netter als ihr Ruf und deshalb grinste ich etwas blöd, erklärte, dass ich nichts gehört hatte, beantwortete freundlich ihre freundlich gestellten Fragen  und sie fuhren wieder - auf jeden Fall war ich wieder hellwach.

Mein Ziel heißt Tallinn, immer noch, auch wenn ich gerade mal wieder in Helsinki bin. So ganz war das auch nicht geplant, aber es ist kürzer, erst auf eine finnische Insel und dann nach Estland zu fahren. Aber der Wind kam dann aus so einer doofen Richtung, sodass wir anstatt nach Estland erstmal Richtung Helsinki gefahren sind. Wir wollten in irgendeinem Hafen pausieren, um von da aus dann nach Estland zu fahren, aber es gibt keine Zwischenhäfen zwischen Haapasaari (die erste finnische Schäre nach der russischen Grenze) und Helsinki, der auf dem Weg gelegen hätte, deshalb haben wir unfreiwillig bis Helsinki durchgezogen. Zumindest fast.

Eine halbe Stunde von Helsinki entfernt mussten wir dann - 0:20 Uhr - durch eine ganz schmale Enge zwischen zwei Inseln, die natürlich nicht befeuert war. Und natürlich war es schon stockduster. Außerhalb der Fahrrinne hatte es übrigens eine berauschende Wassertiefe von 0,7m, also eher suboptimal zum verfahren.
Ich werde wohl in Zukunft sehr viel dafür tun, mein Augenlicht zu schützen, denn diese Blindfahrt war kein angenehmes Erlebnis. Meine Mutter stand vorne und versuchte mit einer Taschenlampe die Tonnen zu suchen und anzustrahlen, bis dann auch ganz schnell die Batterien alle waren und wir aber immer weiter und schneller durch den Wind und die Welle von hinten vorwärts gedrückt wurden. Die Strecke von tags zehn Minuten schafften wir dann in einer rekordverdächtigen Zeit von einer Stunde und die tollste Überraschung gab's aber am Ende: eine geschlossene Brücke, die erst am nächsten Tag wieder aufmacht. Dass es nebenbei noch gewitterte und unser Strom ausgefallen war, finde ich nicht mehr sonderlich erwähnenswert.
Heute morgen sind wir aber doch noch in Helsinki angekommen und ich hab mir total schöne Schuhe gekauft.