Wir hatten in einem Hafen festgemacht, den es eigentlich gar nicht mehr gab, als wir wieder in Klaipeda ankamen. Die Saison ist hier eigentlich schon zu Ende und da hat der Klaipedos Yacht Club sich einfach mal überlegt den Hafen abzubauen.
Am Morgen schwammen vor unserem Boot ziemlich viele Holzplanken mit ziemlich langen Nägeln. Es sah aus, wie in diesen alten Computerspielen, wo man auf verschiedene Sachen springen muss, um über einen Fluss zu kommen - im ersten Level.
KIWI hatte uns vor dem Auslaufen noch eine Stunde Internet geschenkt und die wollten wir auch nutzen. So bahnten wir uns einen Weg durch das Holz, um nochmal kurz bei der Marina anzulegen für einen besseren Internetempfang. Der Wetterbericht sah eigentlich ganz ok aus, aber KIWI berichtete von "vor Ort", etwas anderes: 5-6 Bft und eine ordentliche Restwelle direkt von der Seite - also vielleicht doch noch einen Tag warten?! Nö, hatten wir keine Lust drauf und so fuhren wir zum ersten eingespeicherten Wegpunkt im GPS - ich hatte nicht nur keine Karte für Nida, sondern einfach überhaupt keine für die gesamte Kurische Nehrung und damit auch keine Übersicht über die russischen Sperrgebiete, Betonnung oder sonst was. Deshalb hatten wir uns am Morgen noch schnell die Karten von KIWI ausgeliehen und ein paar Koordinaten rausgeschrieben. Wird schon... Die Leuchtfeuer haben eine Reichweite von ungefähr 17 sm, das heißt, wenn wir sie sehen, sind wir in der Nähe vom Land und hoffentlich nicht unter 12 sm an der Küste, das hätten die Russen sicherlich nicht so gerne.
Am Ende der Hafenmole war es eigentlich am schlimmsten. Wir wurden super durchgeschüttelt und hofften einfach, dass es mit der Zeit besser würde. Wurde es auch, aber gaaanz langsam. Bis dahin hatte sich bei einem Drittel der Crew das Frühstück (Wurst mit Brot) schon längst wieder einen Weg rückwärts ins Wasser gebahnt - und das nicht nur einmal. Nach ungefähr dem sechsten Mal wurde es langsam Dunkel und die Wellen waren immer noch ein wenig höher, aber immerhin von schräg hinten. Die Nacht würde wohl etwas länger werden, denn durch unseren Ausfall blieben jetzt noch ich und Elias übrig, der noch nie wirklich gesegelt und besonders nicht gesteuert war.
Inzwischen waren wir irgendwo über Russland und der Himmel zog sich komplett zu. Manchmal riss er ein wenig auf und dann konnte man die Sterne sehen. Das war so unglaublich! In dieser Unendlichkeit kann man sich echt verlieren. Ich habe noch nie in meinem Leben so viele Sterne gesehen. Darüber konnte man sogar fast seine Müdigkeit und die Schweinekälte vergessen. Irgendwann gab es nur leider auch keine Sterne mehr und von da an wurde es richtig dunkel. Zum Glück hatten wir das Großsegel schon einmal vorausblickend runter genommen, denn die Böen bemerkten wir erst kurz bevor sie uns erreichten und das Boot aus dem Ruder laufen wollte, wie es über den Tag einige Male passiert war. Ich hatte das Gefühl fast blind zu sein und das war echt grauenhaft. Das einzige woran wir uns hielten war ein etwas hellerer Streifen am Horizont und jedes Mal beim Ruderwechsel gab es die Info auf welches Ende des hellen Streifens man gerade zusteuern musste. Zwischendurch beging ich dann den Fehler, auf die Uhr zu schauen: erst kurz nach zwölf. Wann sollte die Sonne aufgehen? Um fünf? Das wäre dann noch eine ganze Ecke hin und wärmer würde es mit Sicherheit auch nicht werden.
Ich denke so gegen drei oder vier hatten wir dann unseren Tiefpunkt erreicht. Wir wechselten ungefähr alle halbe Stunde, weil wir total übermüdet waren und anfingen in der Dunkelheit irgendwelche Sachen zu sehen. Einmal meinte Elias direkt vor uns ein großes Boot zu sehen und ich erkannte irgendwelche Gerüste, die aus dem Wasser ragten. Da war nichts! Aber egal wie müde wir waren, schlafen ging einfach gar nicht, dafür war es zu kalt und ich fand einfach keine Ruhe, um nach unten zu gehen, mit einem Segelanfänger am Steuer. Ich wollte aber auch nicht allein draußen bleiben, wenn ich am Ruder war, dafür war es zu dunkel.
Ab Polen hatten wir wieder Karten und mindestens zweimal war ich unten, um sicher zu gehen, dass die Koordinaten auch wirklich stimmten und um mich zu vergewissern, dass da auch wirklich kein Land ist, auf das wir gerade straight zufuhren. Gegen fünf wurde es tatsächlich hell, ab sechs übernahm Lorenz dann das Steuer, dem es inzwischen wieder besser ging und kurz darauf fiel ich in meinen warmen Schlafsack in einen wunderbar tiefen Schlaf.
Als wir alle wieder so halb auf den Beinen waren wollten wir die blöde Salami vernichten, die uns die Nacht versaut hatte. Ein ordentlich großes Stück kam als Köder an einen Angelhaken, der wiederum an eine Angelschnur und die an eine Relingsstütze. Perfekt. Lorenz, der Angler unter uns, war zwar der Meinung, dass wir mit 5 1/2 Kn Fahrt nichts fangen würden aber zwei Stunden später hatte sich tatsächlich ein Hornhecht an der Salami verschluckt. Dann wurde es einfach nur noch eklig. Der Fisch wurde getötet und weil ich absolut dagegen war, dieses tote Etwas in der Plicht liegen zu haben, wurde er in einer Plastiktüte an den Mast gehangen.
Dann kamen wir in Hel an. Der Fisch wurde aufgeschnitten, ausgeleert, zerschnippelt, verlor Kopf und Schwanz und landete letztendlich in der Pfanne. Er war anscheinend super, aber mein Fall war es nicht - die Gräten wurden GRÜN beim kochen. Brrr...
Der Blutfleck ist übrigens immer noch auf dem Deck. Vielleicht sollten wir es doch mal mit Scheuermilch versuchen.
Einmal quer durch Westeuropa - Wir werden Binnenschiffer
vor 16 Stunden
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