Auch wenn uns der Sturm in Klaipeda festhalten wollte, heißt das noch lange nicht, dass wir uns auch festhalten lassen. Von Klaipeda aus gibt es eine relativ schmale Fahrrinne, die durchs Haff nach Nida führt. Das ist kurz vor der russischen Grenze, leider zu kurz, was mir noch ganz schön zum Verhängnis wurde, aber dazu später.
Das Gute am Haff war, dass der Wind zwar ankam, aber nicht die Welle. Jedenfalls nicht die von draußen, aber es ist wirklich unglaublich, was für eine Welle sich in einer Vogeltränke aufbauen kann. So rauschten wir mit konstanten 7+ Knoten und extrem steiler Welle von hinten nur unter Fock Richtung Süden nach Nida im grünen Haffwasser.
Wir hatten erst überlegt, am Abend zuvor loszufahren, immerhin sind das gerade mal 25 Meilen, also um die fünf Stunden. Zum Glück haben wir das nicht gemacht. Zwar besitze ich Karten für Lettland und auch eine für Litauen, aber da ist Nida nicht mehr drauf. Aber ein Junge im Hafen versicherte mir, dass das alles überhaupt kein Problem sei und dass das alles super ausgetonnt ist – ist es auch, aber das reicht eben nicht immer.
So fuhren wir quietschfidel los. Fast bis aus dem Hafen. Da war plötzlich ein Strommast, von dem die Kabel auch ganz schön tief hingen. Ich hab nun echt ein kleines Boot, aber das war wirklich zu tief. Aber irgendwie muss man ja aus diesem Hafen raus kommen, außerdem hatten wir zuvor mit „KIWI“ zusammengelegen, die gefühlt doppelt so groß ist. Plötzlich verstanden wir zwei Dinge, die vorher etwas zusammenhangslos wirkten. Erstens, was uns das Schild, ein rot durchgestrichenes Segelschiff, sagen wollte: kein Durchgang für Segelschiffe!! Aha! Und zweitens, was uns Gerd von der „KIWI“ am Abend vorher mit „nach Tonne 21 rechts halten und auf den großen Betonklotz aufpassen“ erzählt hatte. Also wieder zurück und Tonne 21 suchen. Die gab es sogar und den nicht zu kleinen Betonklotz mitten im Wasser auch. Hier sollten die Kabel angeblich hoch genug sein. Fest entschlossen fuhr ich drauf zu und die Kabel kamen immer näher. „Der Strom von solchen Leitungen kann übrigens bis zu vier Meter überspringen“ – das war der falsche Moment. Mit einem Mal schlug ich das Ruder komplett ein und wir machten eine 180° Wendung auf der Stelle. Das hätte Lorenz nicht sagen dürfen. Von einer Karte hätte man mit Sicherheit ablesen können, wie viel Platz darunter ist, so aber verkroch ich mich in die Kajüte und überlies mit zusammengekniffenen Augen das Ruder an Lorenz. Natürlich kamen wir locker durch, die Kabel hingen auf 27 Metern.
Von da an hangelten wir uns von Tonne zu Tonne und hofften bei jeder Erreichten, die nächste möglichst bald zu sehen, was mich manchmal zur Verzweiflung brachte. Aber die Landschaft ist ja wirklich der Hammer! Da muss wirklich jeder Ostseesegler einmal gewesen sein! Auf dem schmalen Landstrich, an dem man vorbei fährt, fängt nach ein paar Stunden ein riesiger Sandhaufen an, sich immer weiter auszubreiten. Das ist echt total beeindruckend und vor allem wird er immer größer. Nida musste angeblich schon drei Mal versetzt werden, weil dieser immense Sandberg sich immer weiter vorschiebt. Die Stadt ist klein, der Hafen süß, die Duschen recht sauber, also nichts besonderes, aber wie gesagt die Landschaft…
Nach dem wir die Leinen fest gemacht hatten, schnappten wir sofort unsere Regenjacken, denn zur Abwechslung regnete es mal wieder, und einen Beutel für Pilze, weil die Jungs tierisch geil aufs Pilzesammeln waren. Da Lorenz und Elias ja an Bord auf Fleisch - und damit auf's Jagen verzichten müssen, konzentrierten sie sich auf's sammeln.
Auf der Düne gibt es eine Plattform, von der aus man ziemlich weit gucken kam und glücklicherweise kamen wir genau richtig zum Sonnenuntergang. Auf der einen Seite eine Ölbohrinsel vor der untergehenden Sonne und auf der anderen die russische Grenze – wie romantisch. Zurück am Boot, enthielt unser Pilzbeutel genau einen Pilz.
Am Abend telefonierte ich noch mit meinem Freund. Was ich nicht wusste: die Russen hatten ihr Handynetz weit über die territoriale Grenze erweitert, was zur Folge hat, dass man von der Telefonzone 1 in die Zone 3 rutscht! Was aber noch viel schlimmer ist: Ich habe eine Prepaidkarte. Und was noch ein wenig schlimmer ist: Ich kann sie überziehen. Was aber das an sich allerschlimmste ist: Ich hatte nur noch um die 3€ Restguthaben.
Insgesamt macht das folgende Rechnung: 19 Minuten x 2,65 Cent/Minute = 37€ Gesprächskosten
3€ Restguthaben – 37€ Gesprächskosten = -34€ Handyguthaben - 50€ Strafgebühr fürs Überziehen macht einen Gesamtbetrag von 87€ für eine gute viertel Stunde telefonieren.
Bitter! Das ist das einzige, was mir dazu einfällt. Ich hätte mich einfach ohrfeigen können.
An einem Tag, für den Sturm mit bis zu 9 Bft vorausgesagt war, fuhren wir zurück nach Klaipeda.
eine kleine Anmerkung nachträglich
Ich habe zum Glück etwas falsch verstanden, aber ich glaube auch, dass meine Mutter es extra so erzählt hat, um mich zu schocken. Also ich musste nicht nochmal 50€ mehr bezahlen, sondern nur zum Ausgleich des Prepaidkontos. Hat dann halt nur nen schlappen Fuffi gekostet die Aktion. Na dann...
Einmal quer durch Westeuropa - Wir werden Binnenschiffer
vor 16 Stunden
Keine Kommentare:
Kommentar veröffentlichen