Oskar war mein Radarreflektor. Mit einer unglaublichen Ausdauer schlug er Tag für Tag und Nacht für Nacht gegen meinen Mast und brachte mich so am Anfang um jeden Schlaf, bis ich mich an das monotone Klappern von Metall auf Alu gewöhnt hatte und jetzt ist er für immer verstummt. Es war klar, dass einer mal nachgeben würde: Mast oder Oskar, zum Glück war es der Oskar. Schon vor einem Monat zeigte er die ersten Anzeichen von Altersschwäche, als er sein erstes Zusammenhaltungsplastikteil verlor, kurz darauf das zweite, doch vor drei Tagen ging es dann mit ihm vollkommen zu Ende. Bei einer kräftigen Böe verlor er erst eine ganze Seite, doch tapfer hielt er noch aus bis zum Hafen in Riga. Dort lag er dann auf dem Deck, hart gezeichnet vom Kampf mit dem Mast.
Gut, eigentlich sollte so etwas gar nicht erst passieren. Weder, dass der Radarreflektor runter kommt, noch dass er erst gegen den Mast schlägt. Ich hatte ihn falsch montiert, als ich den Mast gestellt hatte und dann hatte ich es in auch wirklich jedem Hafen vergessen zu ändern und irgendwann hatte ich mich daran gewöhnt, aber das Schlagen wurde über die Wochen hin auch immer sanfter, wodurch es noch einfacher zu überhören war – die schlagende Seite des Reflektors hatte sich nämlich mit der Zeit an die Runde Form des Mastes angepasst.
Es regnet hier wirklich jeden Tag, manchmal länger manchmal kürzer, manchmal stärker, manchmal feiner. Der feine Regen wurde von unseren deutschen Fast-Nachbarn in Riga „Nano-Regen“ getauft, weil er so fein war, dass er auch wirklich jedes Ritzchen gefunden hat, außerdem wird es nachts wieder ganz schön kalt – brrr.
Uns wurde erklärt, dass man den Herbst an der Farbe des Wassers erkennen kann. Und es stimmt: Es ist schwarz. Ich hab schon lange nicht mehr auf die Farbe des Wassers geachtet, aber es ist wirklich gruselig, das Wasser ist einfach schwarz.
Mit dem Ende des Sommers kommt auch langsam das Ende meiner Reise. Nagut, ich sollte aufhören sentimental zu werden, ich habe immerhin noch einen Monat. Aber eine gewisse Rückfahrtstimmung ist schon vorhanden und in der letzten Woche musste ich mich dann auch wirklich entscheiden, was denn danach kommt. Oh, das war so schwer! Tausend Ideen - realistische und vollkommen realitätsferne -, aber festlegen ist vor allem nach/ auf so einer Reise unglaublich schwer. Es ist schon immer hart genug zu entscheiden, was es wohl heute zum Essen gibt. Oder noch schlimmer, was das nächste Ziel ist, aber Zukunft? Aber jetzt ist es fest: Ich werde Prinzessin!
Aber davor studiere ich noch Kultur und Technik in Berlin. Ich werde unglaublich schlau und klug werden - das ist ja auch die wichtigste Voraussetzung zum "Prinzessin-werden".
Riga ist wunderschön. Die alten Jugendstilhäuser haben die Sowjetzeit erstaunlich gut überstanden und genau in den Tagen, in denen wir da waren, fand gerade das Fest des Jahres statt, weil Riga in diesem Jahr irgendeinen runden Geburtstag hat, glaube ich. Auf jeden Fall war die Stadt voller Menschen und Feststimmung, sowohl Tags als auch Nachts, und von überallher kam Musik. Ganz verschiedene und komplett durcheinander.
Einmal quer durch Westeuropa - Wir werden Binnenschiffer
vor 10 Stunden
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