Auf dieser Seite stelle ich mich und mein Ostsee-Segel-Projekt vor.
Kurz und knapp: ich habe vor dieses Jahr mit meinem Segelboot einmal um die Ostsee zu fahren. (Für alle "Nichtblogger", es wird von unten nach oben gelesen! Und ihr könnte auch gerne Kommentare schreiben!)

Mittwoch, 28. Juli 2010

Russland to go

Ich fahre nach Russland, packe meinen Koffer und nehme mit: ein kaputtes Großfall, zwei kaputte Reffs, keine Positionsleuchten und zwei leere Dieseltanks.
Von Kotka, der letzten Stadt, geht es nach Haapasaari, der letzten Insel, die ungefähr 20 sm von der russischen Grenze entfernt ist. Am Abend reparieren wir noch alles und wollen nochmal tanken, sonst kommen wir nicht weit. Immerhin erklärt uns die Wettervorhersage, dass der Wind anfangs aus Ost kommen soll, also genau von vorne und wir haben nicht besonders Lust diese Überfahrt durch Kreuzschläge unnötig in die Länge zu ziehen.
Aus Tanken wird nichts mehr. Zumindest nicht am Abend, erst am nächsten Morgen, aber das auch erst ab 10 Uhr. Wodurch der Plan, um 6 Uhr morgens loszufahren, auch gleich wieder verworfen wird.
Am nächsten Morgen haben wir dann ordentlich Zeit für das Frühstück und alles und nach dem Tanken fahren wir los Richtung Grenze... bis uns einfällt, dass wir ja noch ausklarieren müssen - also wieder zurück.
Am Land winken uns dann wieder die gleichen, von denen wir uns vor einer halben Stunde verabschiedet haben und wirken etwas verwundert über die Richtung, in die wir fahren.
Um halb zwölf (russische Zeit, das ist nochmal +1) geht es dann aber wirklich los.
Es ist warm, kaum Wind, dafür von vorne und komplett bewölkt, also an sich ein ganz annehmbarer Tag und die Prognose behauptet, dass er noch auf Süd drehen soll. Das macht er dann auch, aber dazu gleich mehr.
Kurz bevor wir über die Grenze fahren, bin ich schon ganz schön aufgeregt, was wohl dann passiert. Manche sagen, man soll sich über Funk anmelden, andere nicht - also was jetzt? Ich hab's einfach mal nicht gemacht. Zumindest nicht gleich, erst nachdem vier Stunden später immer noch nichts passiert ist und wir schon im Verkehrstrennungsgebiet neben den ganzen Kreuzfahrtschiffen her tuckern. Ich vermassel den Funkspruch ganz schön, aber Reaktion gibt's trotzdem keine - na dann eben nicht.
Irgendwann wird es dann Abend, der Wind kommt immer noch von vorn. Dann wird es Nacht, kommt immer noch von vorn. Und da der ganze Tag ja so bewölkt war, ist es auch echt eine dunkle Nacht und leider wird sie dann zur dunkelsten, die ich seit zwei Monaten gesehen habe, denn es ziehen plötzlich Wolken auf. Wolken? Davor gab es nur eine dichte Wolkendecke und jetzt plötzlich sowas. Die sahen dann auch ganz schön dunkel aus und im nächsten Moment kommen dicke Tropfen runter - na klasse - jetzt regnet's auch noch. Also alles schnell reingeräumt und Regensachen angezogen. Viel an Regen kommt nicht runter, dafür wird es mit einem Mal noch dunkler, aber im nächsten Moment schon wieder taghell und fast im gleichen Moment ertönt ein viel zu lautes Donnergrollen. Ab diesem Moment beginnen die grauenhaftesten Stunden, die ich jeh auf dem Wasser erlebt habe. Das Gewitter ist genau über uns, zieht dann etwas weiter, kommt wieder. Was man bei Gewitter macht? - Keine Ahnung, ich hatte nie vor, bei Gewitterwarnung rauszufahren. Aber da wir inzwischen auf russischem Gebiet sind, ist da absolut NICHTS mit an Land gehen. Selbst wenn wir wollten, wäre das wahrscheinlich zu riskant, weil zwischen uns und dem Land viel zu viele kleine unbetonnte Untiefen eingezeichnet sind und ich nur einen Übersegler habe und so müssen wir uns leider auch wieder viel zu schnell von den hoffnungsvoll blinkenden Lichtern der Stadt auf unserer rechten Seite verabschieden. Auch die Idee, das Gewitter zu umfahren ist schlecht möglich, weil es riesig ist und auch als es weiterzieht immer noch überall um uns herum blitzt. Zwischendurch können wir hoffnungsvoll genau über uns Sternenhimmel sehen, aber ein paar Minuten später hat es sich schon wieder zugezogen und es geht weiter.
Eigentlich wollten wir die Wachen in zwei Stundenetappen teilen, aber in dieser Hölle ist das letzte, an was einer von uns denkt: Schlafen. Gegen 6 Uhr sehe ich Kronstadt vor uns und es leuchten nur noch einzelne Blitze irgendwo links von uns auf und hell wird's auch wieder. Langsam entspannt sich meine super unangenehme verkrampfte Haltung wieder - die Verspannungen im Rücken spüre ich immer noch.
Vor uns liegt das Tor nach St. Petersburg, dass es von hier aus nochmal 6-7 Stunden sind, war mir irgendwie nicht so bewusst, aber das macht jetzt auch irgendwie nichts mehr. Wir sind durch Kronstadt durch, aber irgendwie hat sich immer noch kein Russe für unser Kommen interessiert. Es gab immer noch keinen Funkkontakt und auch das Schiff, dass angeblich zu uns kommen sollte, kommt nicht und daran ändert sich auch nichts, bis wir am Zoll anlegen. Kurz nach Kronstadt taucht plötzlich die "Selkie" auf (das Schiff der Schweizer, die wir in Kotka kennen gelernt haben und die uns ihren russischen Kontakt gegeben haben) und ich bin einfach glücklich etwas Vertrautes wieder zu sehen. Allerdings hätte ich nicht gedacht, dass noch jemand so blöde ist wie wir und durch dieses Wetter freiwillig fährt.
Der Rest geht dann echt super und entspannt, das einzige, was zu schaffen macht ist der mangelnde Schlaf und die unglaubliche Hitze. Nach gefühlten tausend Zetteln, die wir im auch nicht weniger stickigen Hafengebäude unterschreiben müssen, dürfen wir nochmal zwei Stunden bis zum Sportboothafen fahren - den wir mit dem Schiff bis zum ausklarieren auch nicht verlassen dürfen, was nicht so schlimm ist, denn es gibt gar keinen anderen, in den Segler rein dürfen. Auf dieser Strecke schaffen wir es dann doch noch einmal, die Segel zu setzen. Es ist jetzt 15:20 Uhr und wir sind seitknapp 27 Stunden unterwegs.
Im Hafen gehe ich als allererstes duschen, denn die Mischung aus Angst- und Hitzeschweiß ist einfach tödlich und danach wird nur noch geschlafen - boah tut das gut.
Nur mit der Zeit komm ich immer noch nicht ganz klar, es ist schon wieder 2:41 Uhr nachts.
Aber für den Rückweg ist klar: lieber hab ich hier Stress mit den Behörden, weil ich zu lange bleibe, als nochmal durch ein Gewitter zu fahren. Ich wollte mir diese Erfahrung eigentlich noch ein paar Jahrzehnte aufheben.
Über Land und Leute gibt's schon wieder so viel zu schreiben, dass ich das auf nächstes Mal schiebe. Ach und der Winddreher nach Süd kam übrigens wirklich noch - im Gewitter.

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